„Für den Vorstand der TLG IMMOBILIEN AG liegt die Mindestzielgröße für den Frauenanteil bei Null.“ (TLG, S. 49) Und diese Zielgröße solle laut Corporate-Governance-Bericht eines der führenden Unternehmen Deutschlands für Gewerbeimmobilien bis 2022 auch nicht unterschritten werden. Na, immerhin. Fragt sich nur, wie ein Frauenanteil unter Null aussieht.
Wie bitte? Mindestzielgröße Null? Nicht unterschreiten? Was klingt wie ein Scherz in einem mittelprächtigen Kabarettprogramm ist in vielen Unternehmen bittere Realität: Fast ein Drittel der 160 börsennotierten deutschen Unternehmen tun es der TLG gleich, darunter so bekannte Namen wie Hochtief, Klöckner oder RWE. Aber auch solche, denen ein Hauch von höchster Modernität anhaftet, als da wären Delivery Hero, Xing oder Zalando.
Die deutsch-schwedische Allbright-Stiftung, die sich für mehr Frauen und Diversität in Führungspositionen einsetzt, konstatiert, dass lediglich 8,8 Prozent der Vorstandsposten in den schon genannten 160 Unternehmen von Frauen besetzt sind. Etwas erfreulicher verhielte es sich demnach in Aufsichtsräten, wo 2019 30,2 Prozent der Plätze mit Frauen besetzt seien.
Das Bundesfamilienministerium, das dem Bundestag jährlich Bericht über die Entwicklung erstattet (Bundestagsdrucksache 19/20362 vom 11.06.2020), hebt hervor, dass zumindest die feste Quotenregelung Wirkung zeigt. 30 Prozent des unterrepräsentierten Geschlechts müssen demnach in den Aufsichtsräten börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen, also solchen mit über 2000 Mitarbeiter*innen, mit dem jeweils anderen Geschlecht besetzt sein. Fast überflüssig zu erwähnen, dass es dabei in der Praxis nahezu ausschließlich um Frauen geht. Die Quote war im Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG) für viele Unternehmen 2015 festgeschrieben worden. Freiwillige Quoten, einst von der Familienministerin Schröder (CDU) als „Flexiquote“ gefeiert, brächten hingegen nichts.
Im November 2020 wurde die verpflichtende Quotenregelung auch für Vorstände beschlossen. Das Gesetz umfasst jedoch weite Teile der Unternehmenslandschaft nicht. Eine Ausnahme bilden etwa genossenschaftlich organisierte Banken und Sparkassen. Diese werden wegen ihrer Gesellschaftsform und der Eigentümerstruktur nicht vom Gesetz erfasst.
Und auch sonst scheinen Genossenschaftsbanken und Sparkassen nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung (vgl. Freiberger) keine Glanzleistungen beim Einsatz von Frauen in Führungspositionen zu vollbringen. So schreibt etwa die Union Investment, die Investmentgesellschaft der genossenschaftlichen Bankengruppe im Geschäfts- und CSR-Bericht 2017: „Für den Vorstand mit einem Frauenanteil im Berichtszeitraum von 0 % hatte der Aufsichtsrat als Zielgröße bis zum 30. Juni 2017 festgelegt, dass dieser Stand beibehalten werden sollte. Der Frauenanteil betrug auch zum Zieltermin 30. Juni 2017 0 %. Der Aufsichtsrat hat beschlossen, an der bisherigen Zielquote für den Vorstand von 0 % festzuhalten und als neuen Zieltermin den 31. Dezember 2021 festgelegt.“ Auch 2019 änderte sich an der Situation nichts. Dabei beschäftigt die Union Investment fast 44 Prozent Frauen. Bei den 839 Volks- und Raiffeisenbanken bestehen sogar 57 Prozent der Belegschaft aus Frauen – aber in den Vorständen nur zu 4,4 Prozent (vgl. Freiberger).
Für viele Unternehmen dürfte es angesichts langfristig laufender Verträge mit Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern nicht ganz einfach sein, Posten nur der Quote wegen anders zu vergeben. Bei dem hohen Frauenanteil an der Belegschaft insgesamt wirkt der Hinweis, keine geeigneten weiblichen Fachkräfte zu finden, dagegen eher fragwürdig und wirft unter anderem nach Chancengleichheit und Personalentwicklung auf. Eine positive Ausnahme bildet die Sparkasse Hannover, wo zwei von drei Vorstandsposten mit Frauen besetzt sind.
Und dennoch: Selbst in den weiteren Hierarchieebenen sieht es oft nicht besser aus. So verzeichnet etwa die VR Bank Rhein-Neckar einen Frauenanteil von 7,69 Prozent auf der ersten und 6,9 Prozent auf der zweiten Führungsebene nach dem Vorstand. Und das bei einem Anteil von fast 60 Prozent Frauen an der gesamten Belegschaft. Die Zielgröße für den Anteil der Frauen im Vorstand dürfte unschwer zu erraten sein: Auch da steht die Null.
Literatur
- AllBright Stiftung gGmbH: Die Macht hinter den Kulissen. Warum Aufsichtsräte keine Frauen in die Vorstände bringen. Bericht April 2019. https://static1.squarespace.com/static/5c7e8528f4755a0bedc3f8f1/t/5cda9508652dea216f90749c/1557828902244/AllBrightBericht_April_2019.pdf
- Freiberger, Harald: Damenqual. Die Frauenquote kommt – doch Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken bleiben außen vor. Dabei gäbe es hier viel zu tun, in: Süddeutsche Zeitung 275 (2020), S. 20
- TLG Immobilien AG: Werte. Wachstum. Potenzial. Geschäftsbericht 2017.
https://ir.tlg.de/download/companies/tlgimmobilien/Annual%20Reports/DE000A12B8Z4-JA-2017-EQ-D-00.pdf - Union Asset Management Holding AG (Hg.): Geschäfts- und CSR-Bericht 2017.
- Union Asset Management Holding AG (Hg.): Geschäfts- und CSR-Bericht 2019.
von Frank Rogalski