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Motivation - Teil 3: 18. und 19. Jahrhundert

Motivation war auch im Mittelalter, wie wir im letzten Beitrag gesehen haben, ein spannendes Thema – und es bleibt spannend. Während sich im 18. Jahrhundert Philosophen mit einem gewünschten Verhalten beschäftigten, waren es ab dem 19. Jahrhundert Psychologen, die das Phänomen zu ergründen versuchten. Es galt das menschliche Erleben und Verhalten zu ergründen. Sie ergründen es noch heute und werden damit aller Voraussicht nach noch eine Weile beschäftigt sein.

18. Jahrhundert – Gemeinwohl im Mittelpunkt

Jeremy Bentham (1748 - 1832) und John Stuart Mill (1806 - 1873) beschäftigten sich mit moralischen Aspekten (vgl. Galbraith, S. 144 ff., und Nienhaus, S. 106 ff.). Danach sei das Verhalten moralisch in Ordnung, wenn es den Nutzen aller Beteiligten mehrt – das Gemeinwohl rückte in den Mittelpunkt. Adam Smith (1723 - 1790) hatte zuvor schon festgestellt, dass das individuelle Engagement, das Streben nach Gewinn immer auch (mehr oder weniger unbewusst) das Wohl der Gemeinschaft erhöht, die berühmte Theorie der „Invisible Hand“ (Smith, S. 371, vgl. auch ebenda S. 14 ff.) – auch wenn er sie nur im Zusammenhang mit Einfuhrbeschränkungen für ausländische Güter, die im Inland selbst hergestellt werden könnten, erwähnt. (Und schon allein deshalb dürfte er damit kaum jene weitreichenden Konsequenzen für staatliches Handeln in der Wirtschaft im Sinn gehabt haben, wie viele Ökonomen späterer Jahre meinten.) Sehr weitsichtig dagegen sein Hinweis auf das Motiv von Unternehme(r)n oder ehemaligen Unternehmern – Philanthropen aufgepasst – das Allgemeinwohl mit ihrem Engagement bewusst zu mehren: „Alle, die jemals vorgaben, ihre Geschäfte dienten dem Wohl der Allgemeinheit, haben meines Wissens niemals etwas Gutes getan.“ (Smith, S. 371)

Moralphilosophen gingen aber eher von einem gewünschten Verhalten aus, weniger von einem kleinteiligen System von Anreizen; alles sollte auf das Gemeinwohl ausgerichtet sein, das Streben des Menschen bewusst dorthin ausgerichtet werden. Die Frage, was jemanden im Detail dazu anhält, etwas zu tun oder zu lassen, und die individuelle Abwägung, ob der Anreiz größer ist als der Einsatz, den jemand erbringt – die Anreiz-Beitrags-Theorie – kam erst im 20. Jahrhundert auf (vgl. Berthel / Becker, S. 43 ff., und Schreyögg / Koch, S. 34 f.). Allerdings, und da finden sich Parallelen, ausgehend von dem Gedanken an das Wohl einer Organisation, zum Beispiel eines Unternehmens.

19. Jahrhundert – Triebe und mehr

Psychologie wurde populär. Allen voran Sigmund Freud (1856 - 1939), der Instinkte und Triebe als Erklärung für menschliches Verhalten anbot (vgl. Weiner, S. 17 ff.). William James (1842 - 1910) und William McDougall (1871 - 1939) ergänzten etwa um Wissbegierde, Neugier, Flucht oder das Streben nach Harmonie, d. h. weitere Instinkte und Grundbedürfnisse (Heckhausen / Heckhausen, S. 15 und 21 ff., und Weiner S. 21).

Freud erklärte menschliches Handeln mit dem Streben nach Befriedigung sexueller und aggressiver Triebe. Seine Erkenntnisse basierten nicht auf Experimenten, sondern stammten aus den Beobachtungen während der Therapien und Traumdeutungen (vgl. Weiner, S. 27 f.). Diese wurde im Laufe der nächsten Jahrzehnte vertieft und auch versucht, empirisch zu erforschen. Konrad Lorenz (1903 – 1989) und Nikolaas Tinbergen (1907 – 1988), der eine der Rassenlehre der Nationalsozialisten nahestehend und bis zu seinem Tod nicht abschwörend, der andere von eben jenen zeitweise ins Konzentrationslager gesteckt, widmeten sich der Aggression als Triebfeder des Verhaltens zu (vgl. Weiner, S. 33 f.). Auch die sexuelle Motivation und Träume wurden weiter untersucht, allerdings ohne überzeugende Beweise für den unmittelbaren Einfluss auf menschliches Handeln zu finden. Auch Abwehrmechanismen (u. a. Verdrängung, Verleugnung und Intellektualisierung), Freud schrieb sie in seinem Strukturmodell der Psyche dem „Ich“ zu, erfuhren Aufmerksamkeit, genau wie die Impulskontrolle und kognitive Prozesse (= Informationen aufnehmen, verarbeiten und abrufen).

Clark Leonhard Hull (1884 – 1952) steht in der Tradition von Freud und entwickelte die Hullsche Triebtheorie, ebenfalls ein Meilenstein in der Geschichte der Motivation mit großen Einflüssen auf die Psychologie des Lernens und des Verhaltens (Heckhausen / Heckhausen, S. 87 ff.). Er betrachtete menschliches Verhalten als streng mechanistisch, operationalisierte vieles, u. a. den Hunger. Die vermeintlichen Belege dafür sammelte er in exakt dokumentierten Laborexperimenten, vorzugsweise mit Ratten. Hull unterschied primäre (angeborene), z. B. Hunger, und sekundäre (erlernte) Triebe, z. B. Furcht.

In diesem Zusammenhang tauchten auch erstmals „Anreize“ als Thema in der Motivationstheorie auf. Edward Chace Tolman (1886 – 1949) und Hugh C. Blodgett (Lebensdaten unbekannt) erwarben sich Verdienste darum, Lernen nicht als reines Reiz-Reaktions-Schema zu betrachten, sondern dass es mit kognitiven Prozessen verbunden ist (vgl. Heckhausen / Heckhausen, S. 132 ff.).

1870 meldete sich aber nochmal die Kirche zu Wort: Pius IX. verkündete das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubensfragen. Respekt. Und wahrscheinlich der Grund, warum sich die katholische Kirche mit Reformen bis heute, nun ja, ein wenig schwer tut. (SZ vom 18./19.7.2020, S. 15)

Und damit, Papst Pius sei Dank, wären wir bei der Wahrnehmung und ihrer Rolle für die Motivation des Menschen angekommen: Max Wertheimer (1880 – 1943), Wolfgang Köhler (1887 – 1967) und Kurt Koffka (1886 – 1941) sind berühmte Vertreter der Gestaltpsychologie (vgl. Weiner, S. 115 f.). Hierin spielte die Wahrnehmung eines Menschen eine bedeutende Rolle – und davon abgeleitet dessen Handeln. Die drei der Berliner Schule der Gestaltpsychologie meinten, dass einzig das jeweilige Erleben eines Menschen die (individuelle, aber eben jene) Wirklichkeit darstelle und folglich auch Handlungen daraus abgeleitet würden. Damit erkannten sie über Triebe hinausgehende Einflüsse auf menschliches Handeln.

Kurt Lewin (1890 – 1947), ging in seiner Feldtheorie (vgl. Berthel / Becker, S. 29 f., und ausführlich Weiner, S. 115 ff.) davon aus, dass verschiedene interagierende Kräfte das Verhalten beeinflussten. Er bezog sich zum Teil auf Freud. Im Gegensatz zu ihm stellte er aber, wie bereits Clark Leonhard Hull, mathematische Modelle auf, die den motivationalen Zustand einer Person, den Anreiz des Ziels und die jeweilige Richtung, in die sich die Person bei der Entscheidung bewegt (Lokomotion), mit Werten versah.

Literaturverzeichnis

  • Berthel, Jürgen, und Becker, Fred G.: Personal-Management. Grundzüge für Konzeptionen betrieblicher Personalarbeit. 9., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2010.
  • Galbraith, John Kenneth: Die Entmythologisierung der Wirtschaft. Grundvoraussetzungen ökonomischen Denkens. München: Knaur, 1990.
  • Heckhausen, Jutta, und Heckhausen, Heinz (Hrsg.): Motivation und Handeln. 5. überarbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Springer, 2018.
  • Nienhaus, Lisa (Redaktion): Die Weltverbesserer. Große Gedanken aus der Wirtschaft. Lizenzausgabe für die Bundeszentrale politische Bildung. München: Hanser, 2015.
  • Schreyögg, Georg, und Koch, Jochen: Grundlagen des Managements. Basiswissen für Studium und Praxis. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden: Gabler, 2010.
  • Smith, Adam: Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen. 6. Auflage. München: DTV, 1993.
  • Weiner, Bernard. Motivationspsychologie. 3. Auflage. Weinheim: Beltz, 1994.

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