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20. Jahrhundert Teil II – Motivation und Management

Wie schon bemerkt, erkundeten vorrangig Psychologen die Frage nach der Motivation. Die Experten des Managements entwickelten kaum eigene Ansätze, was sich mit Douglas McGregor (1906 – 1964) ändern sollte (vgl. Kennedy, S. 138 ff., und Simon, S. 26 ff.).

Der Professor für Management griff Maslows Thesen intensiv auf und entwickelte die X-Y-Theorie, worin er das seiner Ansicht nach natürliche Verhältnis des Menschen zur Arbeit beschrieb. Typ X sei danach eher faul und würde versuchen, die Arbeit weitgehend zu vermeiden. Anreize erführe er von außen, durch extrinsische Motivation. Typ Y ist das Gegenteil davon, hat einen starken inneren Antrieb, die Arbeit durchzuführen (intrinsische Motivation). Hierarchische Strukturen, in der Zeit der Industrialisierung bereits im Zentrum der Betrachtung, wurden so stark manifestiert.

Der starke Gegensatz wurde versucht durch Theorie Z zu beheben, eine Art Synthese von X- und Y-Theorie – wobei sie mit Blick auf ihre Ansprüche an sich aber auf einen ganz eigenen „Typen“ abzielt. Die Z-Theorie stellt nämlich die Beteiligung der Mitarbeiter ins Zentrum, und es sei die Frage erlaubt, ob Typ X sich darauf überhaupt einlassen würde. Sie wird auch als japanischer Managementstil mit Elementen wie längerfristige Entwicklungsprozesse, besondere Fehlerkultur, kollektive Entscheidungskultur und individuelle Verantwortungsübernahme beschrieben. McGregor hatte diese Theorie zum Ende seines Schaffens bereits begründet, um seinen zahlreichen Kritikern zu begegnen. William Ouchi (geb. 1943) machte die Theorie aber erst populär, als japanische Unternehmen in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts international immer erfolgreicher wurden (vgl. kritisch zu den Modellen Vroom / Jago, S. 13 u. 47).

Ebenfalls auf Maslow bezog sich der amerikanische Psychologe Clayton Paul Alderfer (1940 – 2015; vgl. Berthel / Becker, S. 53). In seiner ERG-Theorie (Existence, Relatedness and Growth = Existenzbedürfnisse, Beziehungsbedürfnisse und Wachstumsbedürfnisse) klassifizierte er Bedürfnisse und stellte sie in Beziehung zueinander, u. a. dass die Beziehungsbedürfnisse umso stärker stiegen, je mehr die Existenzbedürfnisse befriedigt seien. Ferner leitete er einige Hypothesen ab, welche Bedürfnisse jeweils dominant seien, die Dominanzprinzipien. So werde etwa ein nicht befriedigtes Bedürfnis dominant, die Frustrations-Hypothese. Im Falle der Nicht-Erreichbarkeit eines Bedürfnisses, würde das hierarchisch niedrigere dominant – möglicherweise finden Frust-Esser in dieser Frustrations-Regressions-Hypothese ein wissenschaftliches Fundament.

Motivation bleibt eine eher psychologische Disziplin, erfährt aber eine „wirtschaftlich-industrielle Note“ durch Victor Harold Vroom, kanadischer Wirtschaftspsychologe, Jahrgang 1932. Vroom begründete die Erwartungs-Valenz-Theorie, in der individuelle Wünsche und betriebliche Ziele prägend sind (vgl. Schreyögg / Koch, 189 ff.). Mitarbeiter*innen wägen demnach ab, wie attraktiv Handlungsoptionen (Valenz) sind und wie hoch die Möglichkeit ist, diese auch zu erfüllen. Vroom entwickelte ein mathematisches Modell und bestimmte, dass der Antrieb das Produkt aus Valenz und Erwartung sei. Mitarbeiterbedürfnisse und Ziele der Organisation sollten fortan nicht mehr unabhängig voneinander betrachtet werden – stilprägend für ganze Management-Generationen, die Ziele in den Vordergrund rückten, aber all zu oft keinen Blick dafür hatten, ob das Ziel einer Organisation für den Mitarbeiter überhaupt von besonderem Interesse und ist. Vroom dagegen hob auf die Erreichbarkeit von Zielen ab.

Das Thema Partizipation griff Vroom mit Philip Yetton und später mit Arthur Jago im Vroom-Yetton-Jago Decision Making Model auf (in Vroom / Jago). In einem Entscheidungsbaum werden Führungskräfte mit Hilfe von Fragen dazu geführt, in welcher Art und Weise sie entscheiden und Mitarbeiter*innen einbeziehen. Sie begründeten damit die Situationstheorie der Führung mit verschiedenen Führungsstilen, die vielfach aufgegriffen wurde.

Selbstverwirklichung hatte bereits bei Maslow ganz oben gestanden. In Frederic Herzbergs (1923 – 2000) Zwei-Faktoren-Theorie (vgl. Schreyögg / Koch, S. 199 ff., und Berthel / Becker, S. 53 ff.) spielt sie ebenfalls eine wichtige Rolle. Motivation könne seiner Ansicht nach nur aus der Arbeit selbst heraus entstehen. Leistungserlebnis, Anerkennung, Verantwortung stellen solche Motivatoren dar, solche also, die persönliches Wachstum verkörpern. Das Gegenteil davon verkörpern Hygienefaktoren. Diese, z. B. Verwaltung, Unternehmenspolitik, fachliche Führung, Beziehung zu Vorgesetzten, Entlohnung oder Arbeitsbedingungen, sind externer Natur. Hier streben Arbeitnehmer*innen eher eine Vermeidung an, was aber keinesfalls Motivation auslöst, sondern höchstens die Unzufriedenheit kleiner werden lässt.

Die Zwei-Faktoren-Theorie hat viel Kritik erfahren. Die bezog sich vorrangig auf die Methodik der Erhebung, insbesondere die Reliabilität der Messmethode, denn Herzbergs Ergebnisse waren in weiteren Untersuchungen kaum wieder zu erreichen. Dazu gesellt sich die allzu menschliche Eigenschaft, Fehler und Probleme anderen zuzuschreiben, was die Hygienefaktoren in ein anderes Licht rückt.

Verdienst Herzbergs bleibt es jedoch, den Aspekt der intrinsischen Motivation in Tradition von Maslow und McGregor stärker hervor gehoben zu haben. Sein Einfluss auf Führungsstile und Unternehmenskultur ist unbestritten.

Wie bereits schon Maslow wird Herzbergs Theorie zu den Inhaltstheorien der Motivation gezählt. Darin werden Ziele und Motive in Klassen eingeteilt und gewichtet.

Herzberg und Maslow dürften auch John Stacy Adams (geb. 1925) inspiriert haben. Er formulierte die Gleichheitstheorie (Equity Theory) Mitte der 60er Jahre, nach der Menschen frustriert sind, wenn sie aus ihrer Sicht nicht gleich mit anderen behandelt werden und dann bestrebt sind, den Zustand zu ändern (vgl. Schreyögg / Koch, S. 211 u. 446). Das kann allerdings bei Nicht-Gelingen bis hin zu Resignation und Kündigung führen. Hierfür vergewissern sie sich ihres eigenen Einsatzes und dessen Ergebnis (Output) und stellen Vergleiche mit dem anderer an.

Während viele Wissenschaftler immer wieder auf Bedürfnisse und Erwartungen in Fragen der Motivation abhoben, rückte, wiederum ein Psychologe, Edwin A. Locke (geb. 1938) Ziele in den Mittelpunkt der Betrachtung. Seine goal-setting-theory beeinflusste die Diskussion ab den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts maßgeblich. Ziele sollten demnach maßgeblich auch die Leistung und die Leistungsbereitschaft beeinflussen (vgl. Berthel / Becker, S. 63 ff.). So konstatierte Locke zum Beispiel, dass Ziele präzise formuliert werden, attraktiv und herausfordernd sein müssten, damit eine Leistung abgerufen werde. Damit war die Grundlagen für die SMART-Formel (spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, terminiert) gelegt, die heute nahezu in jedem Zielvereinbarungsgespräch eine wichtige Rolle einnehmen dürfte. Zuvor, 1958, und auf ähnlichem Fundament hatte der Jurist und Ökonom Peter F. Drucker (1909 – 2005), später als einer der einflussreichsten Management-Denker geehrt, schon Ziele in den Mittelpunkt des Handelns von Führungskräften gestellt. Auf ihn geht der Führungsstil des „Management by Objectives“ zurück (vgl. Kennedy, S. 66 ff.). Dessen Grundlagen haben 1962 einem Kurort in Niedersachsen ungeahnten Ruhm beschert. Das Harzburger Modell sieht Mitarbeiter*innen als selbstständig denkend und handelnd an – wie zuvor beschrieben, in der Geschichte der Motivation beileibe keine Selbstverständlichkeit. Reinhard Höhn (1904 – 2000), überzeugter Nationalsozialist, profilierter Rechtswissenschaftler im Dritten Reich und Mitarbeiter von Reinhard Heydrich, dem Initiator der Wannsee-Konferenz zur Vernichtung des Judentums in Europa, kultivierte ein System von Delegation. Die Überlegungen hatten, wen wundert‘s, militärischen Ursprung und basierten auf klaren Strukturen, so dass die Verbindungen zum einst von ihm unterstützten System auf der Hand lagen (vgl. Müller, S. 12 f., und Otto). Stellenbeschreibungen und Organigramme rühren daher, Zielvereinbarungen spielten eine große Rolle.

Ende der 60er Jahre rückte die Persönlichkeit von Mitarbeiter*innen in den Mittelpunkt. Fred Edward Fiedler (1922 – 2017) entwickelte die Kontingenztheorie (vgl. Berthel / Becker, S. 178 ff., und Aronson / Wilson / Aktert, S. 296 f.). Sie basiert auf seinen Überlegungen und Untersuchungen zu den Persönlichkeitseigenschaften eines Vorgesetzten. Dieser müsse sich, um erfolgreich zu sein, auf seine Untergebenen einstellen. Vorgesetzte könnten Mitarbeiter*innen motivieren, indem sie ihren Führungsstil je nach Situation und Persönlichkeit der Mitarbeiter*innen anpassten. Paul Hersey (1931 – 2012), dem wir das Organizational Behaviour maßgeblich zu verdanken haben, und Kenneth Blanchard (geb. 1939) entwickelten Anfang der 80er Jahre das auch kommerziell erfolgreiche Modell der „Situativen Führung“ (vgl. Schreyögg / Koch, S. 280 ff.; Blanchard / Zigarni, S. 13 ff.). Führung sollte sich demnach am Reifegrad von Mitarbeiter*innen orientieren und eine Palette von „dirigistisch“ bis „delegierend“ umfassen.

Die Persönlichkeit blieb für die Motivation von Mitarbeiter*innen von Bedeutung. William Moulton Marston (1893 – 1947) hatte 1928 seine DISC-Theorie (dominance = Dominanz, inducement = Veranlassung, submission = Unterordnung, -werfung, compliance = Einhaltung, Befolgung) vorgestellt. Diese wurde mit reichlich wirtschaftlichem Erfolg vermarktet, in Deutschland unter DISG, dominant, initiativ, stetig und gewissenhaft, bekannt (vgl. Gay, S. 9 ff., und Seiwert / Gay). Mitarbeiter*innen könnten danach am besten dadurch motiviert werden, indem Führungskräfte ihren Führungsstil an der entsprechenden Typologie ausrichteten.

Dieses Prinzip findet sich auch in anderen Modellen wieder, etwa in dem Teamrollen-Modell von Raymond Meredith Belbin (geb. 1926). Robert G. House (- 2011) begründete 1971 die Path-Goal-Theory, nach der verschiedene Management-Stile Mitarbeiter*innen zu Höchstleistungen führen könnten, u. a. ein direktiver, ein unterstützender, ein partizipativer und ein leistungsorientierter (vgl. Vroom / Jago, S. 51 f.). Belohnungen finden in dem Modell ebenfalls ihren Platz.

Einer empirischen Analyse halten all diese, die Persönlichkeit und einen angepassten Führungsstil in den Mittelpunkt stellenden Modelle, abgesehen zum Teil von der Path-Goal-Theory, nicht stand – im Gegenteil, einigen wird lediglich die Aussagekraft von Horoskopen bescheinigt. Da erscheint die Tatsache, dass William Marston, einer der Protagonisten, im Laufe seiner Karriere auch Entwickler eines Lügendetektors war, schon fast mehr als eine Randnotiz.

Und dann waren da noch jene selbst ernannten „Motivationstrainer“, die in den 80er und 90er Jahren eine eigene Szene begründeten und große Hallen füllten. Allen voran der Schweinfurter Kaufmann Jürgen Höller. Dieser beeindruckte zehntausende Fans mit einer Mischung aus Show und einer Art Infotainment. Wichtigstes Prinzip: das der Auto-Suggestion. Hier wird das Unterbewusstsein trainiert, beispielsweise durch ständiges Wiederholen oder die Vorstellung, das eine Aufgabe erfolgreich erledigt wird. Weiter werden Anker gesetzt, also z. B. Handbewegungen, die den Auftakt dafür bilden, positiv zu denken und sich selbst zu motivieren. Als Beweis dafür, dass ihre Methoden wirken, führen jene „Motivationstrainer“ u. a. an, dass Teilnehmerinnen und -nehmer der Kurse über heiße Kohlen laufen können. Dazu haben sie sich vorbereitet, indem sie sich mit geschlossenen Augen nur lange genug vorgestellt haben, dass die Kohlen grünes Moos sind. Dies wurde sich dann auch immer und immer wieder eingeredet, vom Dozenten wie vom Publikum selbst. Wer noch halbwegs gut zu Fuß ist, kann sich den Seminarbesuch für derlei Abenteuer allerdings getrost sparen, reicht doch auch ein Lauf mit etwas erhöhtem Tempo aus, um die kurze Strecke völlig unbeschadet zu überstehen. Auch das scheinbar spektakuläre Verbiegen von Eisenstangen mit dem Hals, ein weiterer angeblicher Beweis für die Wirkung ihrer Kurse, ist als Betrug entlarvt worden und damit als Beleg wertlos.

Ob sich eine vierstellige Investition für ein Seminar lohnt und durch Suggestion nachhaltige Wirkung erzielt wird, ist äußerst umstritten. Kurzfristig sind jedoch Erfolge denkbar – aber dem wohl schwer zuzuordnen. Es könnte ja sein, dass ein Gegner im Sport oder ein Wettbewerber das selbe Seminar besucht hat und die gleichen Tricks anwendet.

Literaturverzeichnis

  • Aronson, Elliot, und Wilson, Timothy D., und Akert, Robin M.: Sozialpsychologie. 6., aktualisierte Auflage, München: Pearson, 2008.
  • Berthel, Jürgen, und Becker, Fred G.: Personal-Management. Grundzüge für Konzeptionen betrieblicher Personalarbeit. 9., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2010.
  • Blanchard, Kenneth, und Zigarmi, Patricia, und Zigarmi, Drea: Der Minuten-Manager: Führungsstile. Wirkungsvolleres Management durch situationsbezogene Menschenführung. Reinbek: Rowohlt, 1995.
  • Gay, Friedbert (Hrsg.): DISG-Persönlichkeits-Profil. 10. Auflage. Offenbach: Gabal, 1997.
  • Heckhausen, Jutta, und Heckhausen, Heinz (Hrsg.): Motivation und Handeln. 5. überarbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Springer, 2018.
  • Kennedy, Carol: Management Gurus. 40 Vordenker und ihre Ideen. Wiesbaden: Gabler, 1998.
  • Mietzel, Gerd: Wege in die Entwicklungspsychologie. Kindheit und Jugend. München: Psychologie Verlags Union, 1989.
  • Müller, Alexander O.: Reinhard Höhn. Ein Leben zwischen Kontinuität und Neubeginn. Berlin: be.bra Verlag, 2019.
  • Otto, Martin: Biographie von Reinhard Höhn. Vom NS-Juristen zum Pionier der Unternehmensberatung. www.faz.net, 28.11.2019, letzter Zugriff 15.08.2021, https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/biographie-von-reinhard-hoehn-wie-fuehrt-man-richtig-16503708.html
  • Schreyögg, Georg, und Koch, Jochen: Grundlagen des Managements. Basiswissen für Studium und Praxis. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden: Gabler, 2010.
  • Seiwert, Lothar J., und Gay, Friedbert: Das 1 x 1 der Persönlichkeit. 18. Auflage. Remchingen: persolog, 2010.
  • Simon, Walter: Gabals großer Methodenkoffer. Führung und Zusammenarbeit. 2. Auflage. Offenbach: Gabal, 2009.
  • Vroom, Victor H., und Jago, Arthur G.: Flexible Führungsentscheidungen. Management der Partizipation in Organisationen. Stuttgart: Poeschel, 1991.
  • Weiner, Bernard. Motivationspsychologie. 3. Auflage. Weinheim: Beltz, 1994.
  • Die Geburts-/Lebensdaten der erwähnten Forscher*innen wurden der deutschsprachigen Ausgabe von Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia) entnommen.

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